Fletcher mag keine Hunde. Ist unser Hund sozialunverträglich?

Man könnte fast schon der Meinung sein es handelt sich um ein Tabuthema: Die Sozialverträglichkeit von Hunden. Und wir sprechen nicht von Aggressivität, sondern nur davon das unser Hund keinen Kontakt mit Artgenossen wünscht. Unsere Erfahrungen mit Fletcher.

Meine Frau Julia machte mich auf einen Beitrag der Hundeschule Potsdam aufmerksam: Die Sache mit der Sozialverträglichkeit…

Dieser sehr lesenswerte Beitrag spricht mir aus der Seele! Und anscheinend stehe ich nicht alleine da, ist dieser Beitrag doch bis Dato (Mai 2019) schon 1500 mal auf Facebook geteilt worden und hat ebenso viele Likes erhalten.

Denn, unser Kooikerhondje Fletcher ist auch einer von der Sorte, er mag keine anderen Hunde. Nein falsch, er mag keine fremden Hunde die zu aufdringlich werden, Hunde die ihn ignorieren liebt er. Ist er aggressiv zu anderen Hunden? Nein, er sagt nur lautstark seinen Unmut!

Von Hundebesitzern höre ich oft, dass sie beschimpft werden, wenn sie darum bitten, einfach ohne direkten Körperkontakt zwischen ihrem und einem fremden Hund, weiter ihres Weges gehen zu dürfen … Meist fallen dann Sätze wie: „Ach. Ihrer ist wohl schlecht sozialisiert?!“ (Zitat aus o.g. Beitrag der Hundeschule Potsdam)

Beschimpft worden bin ich noch nicht, aber Blicke reichen um den Unmut und das Unverständnis vom Gegenüber zu Deuten. Jeder Hundebesitzer kennt mit Sicherheit folgende Sätze aus einer solchen Situation:

„Meiner ist ganz lieb“, „Der will nur spielen“ und mein absoluter „Favorit“: „Die regeln das schon!“ Was für ein Bullshit!

Hunde wissen nichts um die menschliche Definition von Sozialverträglichkeit. Und mal ehrlich, welcher Mensch mag schon jeden anderen Menschen? Hier haben wir also einen höheren moralischen Anspruch an unsere Hunde als an uns selbst. (Zitat aus o.g. Beitrag der Hundeschule Potsdam)

Man stelle sich folgende Situation vor: Man geht spazieren, trifft auf einen vollkommen fremden Menschen, der kommt sofort auf einem zu mit den Worten: „Hey, wer bist du, was machst du, lass uns ein Bier trinken gehen.“ Ich würde behaupten, das wir in dieser Situation zwar als erstes zurückweichen, aber unser „Sozialverhalten“ zu Wünschen übrig lässt. Was verlangen wir dann eigentlich von unseren Hunden? Zuviel!

Wagen wir doch mal einen Blick auf die Definition von Sozialverhalten? Und die ist nicht so einfach wie man denkt. Hier ein paar Auszüge:

Sozial relevantes Verhalten ist ein Geflecht an Verhaltenssequenzen, das sich in hunderten komplizierter sozialer Situationen bewähren muss. Es ist nicht nur hochkomplex, es reagiert auch sehr nuancenreich in vielerlei Situationen – und es kann an kaum sichtbaren Kleinigkeiten scheitern. (Wikipedia)

Der Prozess des Erlernens von sozial relevanten Verhaltensweisen ist langwierig; er dauert Jahre – und endet eigentlich nie.

In der Hundeschule lernt man die Gesten des Hundes zu deuten. Jetzt kommt ein fremder Hund auf uns zu und wenn dann der eigene Hund seinen Unmut darüber zeigt müssen wir das akzeptieren, ihn sozusagen beschützen, ihm zeigen das wir die Situation regeln und uns eben nicht durch andere Hundehalter deren Verhalten aufdrücken lassen.

Sind wir doch mal ehrlich, 90 Prozent des Tages sind unsere Hunde mit uns alleine, ohne andere Artgenossen. Sie sind in ihrem Rudel, egal ob im Office, im Garten, auf dem Sofa, oder in ihrem Körbchen. Müssen sie dann die anderen 10 Prozent des Tages unbedingt mit anderen Hunden „auskommen“? Nein. Sollten Sie „gehorchen“ wenn sie mit uns zusammen sind? Ja.

Natürlich fragt man sich sehr oft warum gerade der eigene Hund dieses Verhalten zeigt. Warum „mag“ er bloß keine anderen Hunde? Haben wir was falsch, hat er schlechte Erfahrungen gemacht? Haben wir in bestimmten Situationen ihm ein falsches Verhalten anerzogen?

Fletcher und ich hatten einen Beissvorfall. Da war er 1,5 Jahre alt. Passiert in der Innenstadt an einer Kirche neben einem Kinderspielplatz. Eine Hundehalterin hatte die tolle Idee Ihre 2 Hunde (Französische und Englische Bulldogge) frei laufen zu lassen.

Es wäre jetzt so einfach seine Abneigung gegenüber zu aufdringlichen Hunden mit diesen Vorfall zu erklären – wir Menschen neigen ja bekanntlich zu voreiligen Schlussfolgerungen (Selbstkritik). Jetzt fast 2 Jahre danach glaube ich das nicht mehr. Fletcher war auch vorher schon sehr reserviert gegenüber anderen Hunden. Seine Wesensart Reserviertheit – die er ja schon 1,5 Jahre gezeigt hat – ist bei mir aufgrund des Vorfalls vollkommen in Vergessenheit geraten (Selbstkritik).

Ich kann die Einstellung eines Hundes zu anderen Hunden nicht mit Erziehung verändern. Ich kann ihm nicht anerziehen jeden fremden Hund sofort zu mögen. Ich kann seinen Charakter auch nicht durch Ausbildung verändern. (Zitat aus o.g. Beitrag der Hundeschule Potsdam)

Wie gehen wir jetzt damit um? Wie meistern wir diese, ja fast schon alltäglichen Situationen?

Als erstes muss man lernen das Verhalten vom eigenen Hund zu akzeptieren! Er darf seinen Unmut zeigen und gerne auch mal bellen. Fletcher muss nicht jeden Hund mögen. Auch hier merke ich wieder selbstkritisch an, diese Einsicht hat bei mir länger gedauert als bei meiner Frau.

Julia geht regelmäßig 2-3 mal im Monat in die Hundeschule zu einem Alltagstraining. Dort wird in einer Gruppe unter realen Bedingungen in Stadt und Park trainiert, wie z.B. das Warten an einer Ampel, Hund neben Hund.

Ich persönlich gehe vorausschauender mit Fletcher spazieren. Man sieht dann schon aus der Entfernung ob der Hund gegenüber „zu nervös“ ist. Zu freilaufenden Hunde halte ich einen etwas größeren Abstand. Ganz speziell sind Hundehalter die meinen Ihren Hund an frequentierten öffentlichen Orten wie z.B. Innenstadt oder Park mit ausgefahrener 10 m – Flexileine auszuführen. Unberechenbar! Da hilft dann auch nur noch ein größerer Abstand oder für einen Moment anhalten.

Bei engeren Situationen „Augen zu und durch“? Nein. Ich habe festgestellt je weniger ich darauf reagiere, um so schneller beruhigt sich Fletcher. Kürzere Leine und einfach ruhig weiter gehen. Das ist eine Übungssache und dauert ein wenig.

Und natürlich, fast vergessen, bei jeder positiven Hundebegegnung ein Leckerchen … das hilft immer. 🙂

Zusätzlich zu unserer eigenen Akzeptanz haben wir mit diesem Mix das Verhalten von Fletcher erheblich verbessert. Hat er sich früher noch „festgebellt“, sagt er jetzt nur noch einmal seinen Unmut gegenüber zu aufdringlichen Hunden. Der akzeptable Abstand zu einem Hund liegt für Fletcher mittlerweile bei ungefähr 3-5 m. Wir können mit einer Hundegruppe wandern gehen ohne das Fletcher sich am Ende des Feldes aufhalten muss (Beispiel Lüneburger Heide). Es gibt aber eine Rasse mit der er absolut nicht kann – Französische Bulldoggen. Akzeptiert!

Ich kann ihm (wie auch mir selbst) nicht aufzwingen, jeden zu mögen. (Wozu auch?) (Zitat aus o.g. Beitrag der Hundeschule Potsdam)

Den perfekten Hund gibt es nicht. Wir lieben Fletcher trotzdem.

Veröffentlicht von ifranz

Hallo, mein Name ist Alexx, oder auch ifranz. Ich bin ein Kind der 80´ziger, Vinyl-Liebhaber und war ein DJ "in the good old days". Ich liebe es zu Reisen, bin stolzer Ehemann und Hundehalter.